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Sound im Office: Soul hilft bei Angst

HearDis
Robin Hofmann (r.) leitet mit Mitgründer Felix Haaksman die Agentur HearDis! in Stuttgart und Berlin.

Große Firmen vertrauen auf Robin Hofmanns Geschmack und Klangkompetenz. Der DJ und Agenturgründer findet den richtigen Sound für Unternehmen. Ein Gespräch über gute Musik, sinnreiche Soundkonzepte und was unserem Gehör in Arbeitswelten schmeicheln kann. Plus: Drei Musiktipps für die erste Office-Sause nach Corona.

von Hannes Hilbrecht

inperspective: Robin, was für Musik hörst du während der Arbeit?

Robin Hofmann: Mein persönlicher Geschmack wird immer spezieller, ähnlich wie beim Essen. Irgendwann geht Fast Food nicht mehr. Momentan höre ich das neue Album von Nicolas Jaar. Das ist definitiv kein Fast Food.

inperspective: Ich frage nach, weil das Hören von Liedern angeblich für eine gesteigerte Produktivität sorgt.

Robin: Das mag stimmen, ist aber wie alles bei Musik hoch subjektiv. Bei manchen klappts, andere nervt es. Es gibt nicht die eine Wahrheit.

inperspective: Es gibt Studien, die besagen, dass klassische Musik Babys glücklich macht, und Embryonen, die mit Bach und Mozart beschallt werden, sollen angeblich als Heranwachsende schneller das Laufen erlernen.

Robin: Unser Musikwissenschaftler im Team findet sicher Studien, die den angesprochenen Erhebungen widersprechen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Musik unser Verhalten stark beeinflusst, positiv wie negativ. Sound kann tatsächlich einiges: Aufmerksamkeit erregen, Aktivierung erzeugen, Emotionen auslösen, Informationen übermitteln, unser Gedächtnis anspornen, erlebte Gefühlszustände auf andere Inhalte übertragen. Und noch vieles mehr.

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inperspective: Mit deiner Agentur HearDis! entwickelst du Sounds für große Marken, für Hotels und Restaurants. Welche Potenziale schlummern in Klängen?

Robin: Die soeben von mir genannten Effekte lassen sich wunderbar auf Marken übertragen oder im Sinne der Markenkommunikation nutzen. Musik ist der ideale Emotionsträger und Brands sind emotionale Konstrukte. Sound kann ein "passendes Markenerlebnis" kreieren. Das gilt auch für Räume, Orte oder Events. Passende Musik kann den visuellen Reiz unterstützen und sogar steigern. Wenn dann auch noch Haptik und Olfaktorik, die Wahrnehmung durch Riechen, mit den optischen Eindrücken harmonieren, sprechen wir von einem maximalen Markenerlebnis.

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Robin Hofmann gestaltet Sounds für Marken wie BMW und die DKB. Der Sound muss zur Marke passen und zur Zielgruppe, sagt Robin.

inperspective: Braucht der Mensch für diese Reaktionen immer die gleiche Musik oder wirken Klänge situativ anders?

Robin: Bei unserer Arbeit geht es nicht darum, die Lieblingsmusik von Menschen zu spielen, sondern Marken und Räume zu inszenieren und gewisse Effekte zu erreichen. Wir schauen, ob die Musik zur Marke passt und von der zu erwartenden Zielgruppe als passend empfunden wird.

inperspective: Wie können Töne zur Kreativität anstiften oder Konzentrationsphasen unterstützen?

Robin: Individuell muss das jeder für sich entscheiden. Neben unserer langjährigen Erfahrung nutzen wir Technologien und Daten, um vorherzusagen, wie eine bestimmte Musik von einer konkreten Zielgruppe assoziiert wird. Soll ein Raum zur Kreativität anregen, dann wählen wir eher helle, warme oder natürliche Klangfarben. Zielen wir auf die Konzentration, achten wir beispielsweise auf ein geringes Arousal-Level, unser Nervensystem wird also möglichst wenigen Reizen ausgesetzt. Wir verstehen die DNA von Musik, und können durch unsere Algorithmen sehr präzise steuern, wann welche Songs gespielt werden sollten.

inperspective: Die eine liebt Radiohead und Nirvana, der andere schwoft zu den Amigos. Manche mögen Ballermann-Konservenbeats von Ingo ohne Flamingo. Weiß man, warum unsere Gehirne die Töne so unterschiedlich bewerten?

Robin: Unsere musikalische Prägung im Teenageralter bestimmt stark, wie wir Musik später wahrnehmen oder akzeptieren können. Ist man mit Heavy Metal groß geworden, werden verzerrte E-Gitarren auf einen Menschen weniger verstörend wirken. Wenn wir als Heranwachsende ausschließlich mit klassischer Musik konfrontiert wurden, traktiert der Gitarrensound eher unsere Nerven.

inperspective: Und unsere Sinneswahrnehmung, das Hörempfinden, verändert sich laufend.

Robin: Je intensiver sich jemand mit Musik beschäftigt, umso weiter bewegt er sich vom "Massengeschmack" weg. Isst man nach zehn Jahren Tiefkühlpizza zum ersten Mal eine direkt in Neapel, gibt es auch kein Zurück mehr. Wer sich etwas intensiver mit Jazz auseinandersetzt, kann Ballermann-Beats nicht ertragen.

inperspective: Nun gehen viele unterschiedliche Menschen in Supermärkten oder kleinen Läden einkaufen, genauso in der Kantine Personen aus allen Zielgruppen essen. Gibt es ihn, den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Geschmäcker?

Robin: Der kleinste gemeinsame Nenner wäre Fahrstuhlmusik, im Englischen gibt es ein eigenes Wort dafür: "Muszak". Ein Sound, der niemand nervt, den aber auch keiner gut findet. So etwas brauchen wir nirgendwo, auch nicht in Fahrstühlen. Wir müssen die Aufgabe der Musik definieren und sicherstellen, dass sie von den Rezipienten wie von uns gewünscht empfunden wird. In der Kantine sollte vormittags eine motivierende Kaffeehausatmosphäre geschaffen werden, die Mitarbeiter einen guten Start in den Tag und eine angenehme Kulisse für ungezwungene Meetings ermöglicht. Entsprechend der Mitarbeiterstruktur stellen wir sicher, dass diese Assoziation eintritt und die Stimmung als entsprechend passend empfunden wird.

inperspective: In Shops soll Musik zum Konsum animieren, in der TV-Werbung Wiedererkennung stiften. Kann Hintergrundmusik auch den zwischenmenschlichen Austausch, also die Kommunikation verbessern, die in Arbeitswelten immer wichtiger wird?

Robin: Musik kann Menschen in eine Stimmung versetzen, in der sie offener, lockerer, entspannter agieren und damit auch kommunikativer sind. Aus den Bereichen Handel und Hotel wissen wir, welche Wirkung entsteht, wenn Geräusche fehlen. Stille Räume wirken klinisch, distanziert und museal. Die Hemmschwelle ist sehr hoch, diese Stille zu "durchbrechen". Eine Soundkulisse, das muss auch keine Musik im eigentlichen Sinne sein, wirkt deutlich anregender.

inperspective: Es gibt Lichtexperten, Akustiker, Temperaturforscher – viele kluge Menschen setzen sich in Büros mit unseren Sinnen auseinander. Warum braucht es auch Soundarchitekten?

Robin: Weil der Mensch fünf klassische Sinne hat und über diese kommuniziert. Möchten Unternehmen ihre Mitarbeiter oder Kunden emotional erreichen, müssen sie multisensorisch agieren. Die genannten Experten müssen sich abstimmen und vernetzt arbeiten. Positive Effekte gibt es nur, wenn die Elemente zusammenpassen und als stimmig empfunden werden.

inperspective: Was ist ein konkretes Beispiel für ein Soundbranding, das besonders gut gelungen ist?

Robin: Ich kann da immer nur über eigene Projekte sprechen. Wir haben für die Deutsche Kreditbank ein umfassendes Audio Branding erstellt und im Bereich Brand Voice viel getan. Es ist toll, zu sehen, wie die verschiedenen Elemente jetzt genutzt und eingesetzt werden. Wie sich das Bild fügt und man einen stimmigen Corporate Sound hören kann. Unsere Arbeit für das Firmenrestaurant einer bekannten Bank war ein reines Employer-Branding-Projekt. Wir haben etwas riskiert und einen jungen und progressiven Soundtrack erstellt. Das Feedback war phänomenal. Und das kam nicht nur von den Angestellten und den Gästen, sondern auch vom Service-Personal. Das serviert das Essen jetzt mit einem noch größeren Lächeln.

 

inperspective: Akustische Störungen sind in Arbeitsräumen ein Problem. Kann man Lärm, wenn man so will, mit anderem Krach bekämpfen?

Robin: Da gibt es verschiedene Versuche, aber ich bin sehr vorsichtig. Wir nehmen Lärm wahr, wenn einzelne Geräusche hervorstechen. Ein permanenter Straßenlärm tagsüber ist weniger störend als das einsame Auto nachts, wenn ich gerade einschlafen will. Im Büro ist es die nervige Stimme des Kollegen, das Klingeln der Telefone. Eine abstrakte Soundkulisse, eine Art "weißes Rauschen" kann dazu führen, das diese einzelnen Spitzen etwas abgemildert werden. Das kann funktionieren, muss aber nicht.

inperspective: Wie würdest du die Soundkulisse in einem Büro grundsätzlich gestalten?

Robin: Ich konzentriere mich in erster Linie auf Bereiche außerhalb des tatsächlichen Arbeitsplatzes: Flure, Toilette, Küche, Lobby. Dort können wir eine Atmosphäre kreieren, die emotionalisiert und positiv prägt. Der individuelle Arbeitsplatz ist ein Bereich, an dem allein der Mitarbeiter entscheiden sollte, wie er klingt. Primär zählt hier die Lärmvermeidung. Für die Soundkulisse am Einzelarbeitsplatz empfehle ich individuelle Angebote. Zum Beispiel verschiedene Sound-Kulissen, die der Mitarbeiter via Kopfhörer an seinem Platz hören kann.

inperspective: Ergibt das überhaupt Sinn, die gleiche Musik für alle im Büro, also zumindest an gewissen Orten wie den Open-Space- oder Kantinenbereich?

Robin: In den öffentlichen Bereichen? Ein eindeutiges JA! Hier geht es darum, den Arbeitgeber als Marke ein Profil zu geben. "So sind wir, so klingen wir." In der Kantine stellt ein Unternehmen auch nicht für jeden Mitarbeiter ein individuelles Stuhlmodell. Es wird Kollegen geben, die man mit der Musik nicht begeistert. Viele andere werden sie aber sehr mögen.

inperspective: Ganz spannend sind Foyers. Unternehmen sollten dort mit visuellen Eindrücken überzeugen, das eigene Profil schärfen. Nun ist bekannt, wie Logos und CIs entstehen. Wie findet ein Unternehmen den richtigen Klang?

Robin: Dafür haben wir Prozesse und Tools. Mit denen übersetzen wir Markenwerte in den Klang. Das ist unsere Kernkompetenz. Jede zukunftsfähige Marke sollte sich mit ihrem Sound beschäftigen, denn Musik ist ein selbstverständlicher Teil der Corporate Identity. Das Foyer als Aushängeschild und erster "Touchpoint" ist dafür ein idealer Ort. Musik kann direkt ein Image vermitteln, empfundene Wartezeiten verkürzen und den Gast positiv emotional prägen.

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inperspective: Dann lass uns zum Abschluss praktisch werden. Welche Musik empfiehlst für folgende Orte und Situationen: Der ideale Song für den Wartebereich beim Hausarzt?

Robin: Ich finde Naturgeräusche wie Vogelzwitschern sehr passend. Je nach Gestaltung des Warteraums ist das ein schöner Kontrast zum klinischen Behandlungszimmer. Die hohen Zwitschertöne kaschieren sogar fiese Zahnbohrergeräusche. Und ganz allgemein: Soul hilft immer bei Angst.

inperspective: Der Sound, der müde Geister rasch aufpäppelt?

Robin: Miranda Martino und Caribou garantieren definitiv einen hohen Tanzfaktor.

inperspective: Der ideale Rausschmeißer, wenn die Weihnachtsfeier im Büro eskaliert?

Robin: "What The Worlds Need Now" von Cat Power. Definitiv etwas mit Message, und dem Effekt, dass sich Chef und Azubi in den Armen liegen und mitsingen.

Das HearDis!-Office in Stuttgart

Fotos: ©Dirk Bruniecki

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