Macht New Work krank? 🤔 "Im Grunde ist es Wahnsinn, was da in den letzten Jahrzehnten passiert ist". sagte Hannes Zacher meinen Kolleginnen Gesine Braun und Christina Kestel im Interview. "Die ganze New-Work-Entwicklung geht einher mit zunehmenden psychischen Erkrankungen." 🤔 Ich war ziemlich überrascht über dieses harte Urteil. Eigentlich sollen viele New Work-Ideen ja die Bedürfnisse von Mitarbeitenden erfüllen und sie so entlasten. 🤔 Ich persönlich kann mir starre Arbeitszeiten im Büro kaum noch vorstellen für mein Leben. Dennoch spüre ich auch, wie zum Beispiel die Flexibilität oft mein persönliches Stresslevel erhöht, weil ich noch einen Termin in den Tag bastle, den ich bei 9-18 Uhr im Büro gar nicht erst angehen würde. Zachers Argumente: 🚩 Aus psychologischer Sicht schade das Verschwimmen von Grenzen und das Abflachen von Hierarchien mehr als die Flexibilität nutzt. 🚩 Hierarchien haben eine wichtige Funktion: Sie sorgen für Verantwortungsstrukturen und damit für Sicherheit. 🚩 Das Bedürfnis nach Kontrolle sei ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Deswegen seien Hierarchien, Routinen und Grenzen wichtig. Diese fehlen oft, wenn Unternehmen auf hybride Arbeit und New Work umstellen. Hier geht es zum ganzen Interview https://lnkd.in/e6Xur6KW Wie seht ihr das: Sorgen hybrides Arbeiten, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice für mehr psychische Probleme im Team? Wie lässt sich das lösen - ohne gleich zurückzukehren zum alten Betriebsmodus?
Da stimme ich zu liebe Antonia Götsch. In dem neuen Buch von Dominique Trott zum Thema New Work, welches bei der Haufe Group erscheint, habe ich einen Beitrag geschrieben zur Notwendigkeit der Selbstfürsorge in Zeiten von New Work, denn flexiblere Strukturen führen auch zur Selbstentgrenzung und Selbstausbeutung (zumindest bei mir ;) und dies erfordert ein gesteigertes Mass an Resilienzkompetenz.
Ich vermute, dass auch andere Faktoren auf das psychische Befinden der Mitarbeiter Einfluss haben. Ständige Erreichbarkeit, Social Media Konsum, der Trend zum Perfektionismus sind auch Treiber der Befindlichkeiten.
New Work bedeutet nicht, die Abschaffung von Hierarchien und Führung. Schade wegen des vorschnellen Urteils. Die Lösung ist einfach: new work im Sinne von new work umsetzen und nicht anders.
Das hybride Arbeitsmodell ist definitiv gekommen, um zu bleiben, und bringt sowohl Flexibilität als auch Herausforderungen mit sich. Dabei gibt es keine Einheitslösung, die für alle passt. Es wäre jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass eine Rückkehr zum alten Betriebsmodus automatisch zu weniger Stress führen würde. Der Lösungsansatz könnte in der Entwicklung und ständigen Anpassung einer Arbeitskultur sein, welche aktuelle Gegebenheiten berücksichtigt. Unternehmen sollten regelmäßig ihre Kultur überprüfen und anpassen, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu gewährleisten. Es ist wichtig, proaktiv zu handeln und anzuerkennen, dass sich die Arbeitswelt stetig verändert. Unsere Arbeitskulturen müssen flexibel sein, um diesen Wandel zu unterstützen und positiv zu gestalten.
Dieses Phänomen haben wir - glaube ich - deswegen, weil wir einfach nicht genug gelernt haben, Eigenverantwortung zu übernehmen. Wir wurden schon im Schulsystem so getrimmt, an festen Vorgaben und Regeln zu hängen, so dass wir auch später eher abhängig (in ungesunden Umgebungen) waren, dafür weniger uns selbst organisieren und bremsen können. Unsere eigenen Bedürfnisse erkennen zu können, und dafür Maßnahmen abzuleiten, haben wir auch nicht gelernt. Unsere Welt sollte uns lehren, wie wir die Freiheiten, die wir haben, auch richtig und für uns gesund nutzen.
Je weniger Grenzen und Bestimmung wir von außen haben, desto mehr brauchen wir sie von innen aus eigener Kraft. Das können Menschen nicht von jetzt auf gleich umlernen, sondern braucht Zeit. Nur wenige haben diese ganz menschliche "dark side" von Agilität und New Work im Blick - schön, dass dihr darüber gesprochen habt!
Liebe Antonia, kannst du die Quellen der Studien teilen, auf die du dich beziehst? Wie wurde New Work da operationalisiert? Da es bis heute keine einheitliche Definition zu New Work gibt und beispielsweise das Konstrukt von F. Bergmann keine kohärente Theorie ist und erst mit Arbeit 4.0 der erste „messbare“ Ansatz 2019 wissenschaftlich veröffentlicht wurde, interessiert mich das sehr, da ich selbst in dem Feld forsche! Ich danke dir!
Im Prinzip bestätigt das Frihtjof Bergmann, Urheber des Begriffes "New Work" mit seiner Einschätzung. "Das, was Unternehmen aus New Work gemacht haben, ist doch nur Lohnarbeit im Minirock" hat er in einer seiner letzten Reden gesagt. Und so ist es, anstatt Wertschöpfung vernünftig zu organisieren und Menschen ein erfüllendes Arbeitsleben zu ermöglichen, in dem "jeder jeden und alles alles stärkt stärkt stärkt" führen schlechte Arbeitsorganisation mit digitalen Tools zu jetzt effizient schlechten Organisationen. Die Nachteile werden dann durch Obstkorb, Kicker und Home Office ausgeglichen und man glaubt wirklich, Menschen würden das nicht spüren.
Ich glaube nicht, dass New Work an sich krank macht. Versteht man aber unter New Work, dass Mitarbeitende jetzt einfach auf sich alleine gestellt sind, zwar z.B. arbeiten können wo und wann sie wollen, dafür aber immer erreichbar sein müssen, dann kommt es sehr wahrscheinlich nicht gut. New Work kann nicht einfach isoliert alten Unternehmenskulturen aufgesetzt werden. Es braucht grundlegende Weiterentwicklungen und Veränderungen. Ein gemeinsames Entwickeln klarer Strukturen, von Verantwortlichkeiten, ein gemeinsames Rollenverständnis und v.a. auch klare Kommunikation, wann jemand z.B. nicht erreichbar ist, ist für mich dabei essentiell. Und dass das viel Arbeit, Zeit und Energie braucht - und nicht von heute auf Morgen umgesetzt werden kann - scheint offensichtlich.
Mentale Frauengesundheit I Fachbuch-Autorin I Speakerin l Entstigmatisierung psych. Erkrankungen l Podcast-Host I Supervisorin I Uni-Dozentin
1yAus meiner Sicht wird hier eine Korrelation zur Kausalität gemacht. Wir durchleben seit 3-4 Jahren eine Dauerkrise, was zu psych. Belastungen führt, und parallel dazu (!) entwickeln sich New-Work-Strukturen. Die Frage ist doch eher: wo stünden wir denn mit den AU-Tagen, wenn wir NICHT auf New Work umstellen?? Antonia Götsch