Schlechte Nachrichten für alle, die das Homeoffice schätzen: Wer von zu Hause arbeitet, ist in der Regel unproduktiver als seine Kolleginnen und Kollegen im Büro. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Studien.
Nun ist es nicht so, dass Elon Musk recht hatte, als er ätzte, dass alle, die im Homeoffice sind, nur so tun, als würden sie arbeiten. Doch offenbar lässt die Produktivität dort tatsächlich häufig nach. Bemerkenswerterweise verlangen selbst Tech-Konzerne von ihren Angestellten, verstärkt vom Büro aus zu arbeiten. Das gilt - das entbehrt nicht einer gewissen Ironie – jetzt sogar bei Zoom, einem der bekanntesten Anbieter von Videocalls.
Während der Coronapandemie hatten Firmen gezwungenermaßen aufs Homeoffice gesetzt. Viele Menschen haben die Vorteile so zu schätzen gelernt, dass sie nur wenig Lust haben, wieder häufiger im Büro aufzutauchen. Sehr zum Leidwesen des Managements.
Zu Beginn des Homeoffice-Booms zeigten Studien kein eindeutiges Bild, ob die Arbeit von zu Hause nicht doch produktiver ist als im Büro mit dessen vielen Störungen. Fest stand allerdings: In Umfragen betonen die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass sie davon überzeugt seien.
Die Produktivität sinkt
Doch aktuelle Studien kommen zu einem anderen Ergebnis. Der Hauptgrund: Es ist viel mühsamer, etwa vom Küchen- oder Wohnzimmertisch mit seinen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten als gemeinsam im Büro. Je stärker Teamarbeit ist, umso schwerer wiegen die Nachteile des Homeoffice. Eine Rolle spielt dabei beispielsweise auch, wie stark man zu Hause abgelenkt wird.
Das Wirtschaftsmagazin „Economist“ weist auf neue Studien hin – darunter eine nun aktualisierte Untersuchung, die vor drei Jahren Aufmerksamkeit erregte. Zwei Doktorandinnen der Harvard Universität hatten 2020 herausgefunden, dass die Mitarbeiter eines großen US-amerikanischen Onlinehändlers, die ihre Tätigkeit vom Büro nach Hause verlegt hatten, pro Stunde acht Prozent mehr Anrufe bearbeiteten. In diesem Mai legten sie eine überarbeitete Version ihrer Studie vor. Das ernüchternde Resultat: Aus der Steigerung wurde ein Rückgang um vier Prozent.
Die Zeitschrift betont, die Forscherinnen hätten sich ursprünglich nicht geirrt. Allerdings hatten sie später viel genauere Daten erhalten, einschließlich detaillierter Arbeitspläne. Aus denen ging außerdem hervor, dass die Qualität der Gespräche abnahm und die Kunden länger in der Warteschleife hingen.
Das passt zu einer Studie, die David Atkin und Antoinette Schoar vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), und Sumit Shinde von der Universität von Kalifornien, Los Angeles, durchgeführt haben. Sie hatten sich die Arbeit von Angestellten einer indischen Firma angesehen, die Daten eingeben. Diejenigen, die zu Hause arbeiten, sind demnach deutlich weniger produktiv als ihre Kolleginnen und Kollegen im Büro. In einer weiteren Studie stellten Michael Gibbs von der University of Chicago sowie Friederike Mengel und Christoph Siemroth, beide von der University of Essex, fest, dass die Produktivität von Mitarbeitern eines großen asiatischen IT-Unternehmens, die von zu Hause aus arbeiteten, viel geringer war als die von Mitarbeitern im Büro.
Teamarbeit leidet
Nun kann man einwenden, dass die beiden letzteren Studien sich auf Länder beziehen, in denen andere Voraussetzungen herrschen als beispielsweise in Europa und den USA. Das erschwert die Vergleichbarkeit. So sind in Entwicklungsländern die Wohnungen in der Regel kleiner, enger und heißer - was die Produktivität in den Wohnungen beeinträchtigt.
MIT-Forscher David Atkin betonte in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin „Fortune“ allerdings, Studien über IT- und Callcenter-Mitarbeiter in den USA seien zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. „Diejenigen, die am meisten im Homeoffice arbeiten, sind diejenigen, die bei der Arbeit von zu Hause aus am meisten abgelenkt werden“, sagte Atkin. Das trifft etwa auf Mütter und Väter zu, die sich gleichzeitig um ihre Kinder kümmern müssen.
Hinzu kommt die wenig überraschende Erkenntnis, dass im Homeoffice die Teamarbeit leidet. In einer im Frühjahr veröffentlichten Studie kamen Harvard-Forscher zu dem Ergebnis, dass in Firmen der Austausch und das Feedback mit den Kolleginnen und Kollegen abnahmen, die von zu Hause aus ihren Job erledigen. Hinzu kommt, dass Büro-Arbeiter sich schneller neue Fähigkeiten aneignen. Forscher, die die Kommunikation von fast 62.000 Mitarbeitern von Microsoft untersuchten, stellten fest, dass durch Homeoffice die beruflichen Netzwerke statischer und isolierter werden.
Mit anderen Worten: Es hat großen Nutzen, wenn sich Kolleginnen und Kollegen im Büro treffen und miteinander reden. Telefonkonferenzen können persönliche Begegnungen nicht ersetzen.
Hybride Lösung
Was nichts daran ändert: Einiges spricht für das Homeoffice. Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit, auch von zu Hause zu arbeiten, viele Menschen zufriedener macht. Und einige Arbeiten können sehr gut von dort erledigt werden. Wer sich über einen längeren Zeitraum stark konzentrieren muss, ist im ungestörten Homeoffice besser aufgehoben als im lauten Großraumbüro. Heimarbeit eignet sich besonders für Tätigkeiten und Jobs, die wenig Teamarbeit erfordern.
Auch wenn der Boom zu Ende geht, das Homeoffice wird nicht verschwinden. Es ist viel zu attraktiv und bietet zu viele Vorteile. Der Trend geht deshalb zum hybriden Modell: einige Tage im Büro, einige Tage zu Hause. Produktivität ist schließlich nicht alles.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen