von Rüdiger LaubeVerkehrte Welt. Hobbygärtner:innen räumen ihre Gartenzwerge beiseite und quälen ihre Grünflächen mit tosenden Vertikutierern. Das Moos auf ihren Dächern kärchern sie druckvoll von den Pfannen. Bryophytes (blütenlose Sporenpflanzen) gelten als Gift des Gartens. Obwohl sie zu den größten Speichern für Stickstoff und Kohlendioxid gehören.
Weltweit binden Moose, Flechten und Algen so viel CO2, wie durch Waldbrände und die Verbrennung von Biomasse produziert wird. Zwar geben sie es auch wieder frei, doch der in mineralischen Dünger gewandelte Stickstoff gleicht diesen Effekt aus. Er sorgt dafür, dass andere Pflanzen rascher wachsen.
Anders als Gartenfans treibt es botanische Fachkräfte in speziell aufgeforstete Wälder. Sie kultivieren Moos und ernten es behutsam. Schließlich handelt es sich um einen der genialsten Werkstoffe für das Innendesign von Büros.
Moose zieren die Erde seit 400 bis 500 Millionen Jahren und zählen zu den ältesten noch lebenden Pflanzen. Sie bilden keine Wurzeln aus, sondern Rhizoide. Diese Zellfäden halten Moose auf dem Untergrund, Wasser nehmen sie nur aus der Luft auf. Daher lässt sich »Miesch« (alt-schwiizerdütsch) flach abtragen und einfach weiterverarbeiten. Professionell geerntet, können Architekt:innen zwei Varianten für die Gestaltung von Flächen nutzen:
Lebendiges Moos produziert Sauerstoff und kann mit anderen Pflanzen ein biophiles Innendesign bereichern. Doch es muss kontinuierlich bewässert, beleuchtet und gepflegt werden. Das ist teuer.
Konserviertes Moos – um dieses geht es in inperspective snacks #45 – macht es Büroplaner:innen leichter. Es gleicht haptisch und visuell dem lebendigen Moos, braucht aber weder Wasser, Licht noch Pflege. Gelegentliches »Staubpusten« ausgenommen. Die Präparation erhält Farbe und Form dauerhaft. Das umweltfreundliche Verfahren kommt mit Wasser, Lebensmittelfarbstoff und Glyzerin aus.
Neben Vielfalt, Effizienz und Nachhaltigkeit sind besonders die Eigenschaften von konserviertem Moos beeindruckend. Die natürlichen Flächen nivellieren das Raumklima, indem sie Luftfeuchtigkeit aufnehmen und bei zu trockener Luft wieder abgeben. Ein Schall-Absorptionsgrad von bis zu 60 % optimiert die Raumakustik. Zudem steigern Moose die Produktivität.
Denn die Farbe Grün ist eine Alleskönnerin im Büro, sie erdet die Mitarbeitenden und fördert gleichermaßen die Konzentration. »Die ausgeschütteten Glückshormone motivieren zu dem, was man gerade tut«,
ergab eine Studie von Dr. Gabriele Wöbker und Prof. Dr. Axel Buether.
Doch die Pflänzchen sind komplex. Von der Ernte bis zum Arrangement im Büro erfordert es Handarbeit. Jedes Objekt ist damit ein Unikat. Dank ihrer breiten Farbpalette und der dreidimensionalen Oberfläche florieren Moos-Motive zu einem eigenen Kunststil. Selbst Unternehmenslogos lassen sich detailgetreu abbilden.