Mir war neulich so langweilig, dass ich gegoogelt habe, was überhaupt Langeweile ist.
Die Frage mag banal klingen, die Antworten sind es überraschenderweise nicht.
Einen Versuch unternahm der kanadische Forscher Dr. John Eastwood. Er formulierte naheliegend und heute viel zitiert: »Es ist das unangenehme Gefühl, eine zufriedenstellende Aktivität ausführen zu wollen, aber nicht zu können.«
Okay. Langeweile ist ätzend, das weiß besonders jedes Kind.
Aber so einfach ist das nicht. Langeweile hat einen Sinn, sagen nämlich genauso viele andere Fachmenschen. Am Beispiel der Kinder lässt sich das gut nahelegen.
Ein kleines Gedankenexperiment: Stellen wir uns vor, uns hätten Duplo-Bausteine niemals gelangweilt. Wir würden also immer noch begeistert damit spielen. Wahrscheinlich hätten wir nie Lego entdeckt! Oder all das aufregende und sinnstiftende, was nach den bunten Steinen kam. Die Forschung betont, wir wichtig es ist, dass sich Menschen regelmäßig langweilen. In diesem Zustand – das Gehirn steckt in einem produktiven Leerlauf – gedeihen oft neue Ideen. Erst an diesen können Persönlichkeiten oder Projekte reifen.
In verschiedenen MRT-Untersuchungen zeigte sich zum Beispiel, dass das sogenannte DMN im menschlichen Gehirn aktiv ist, wenn wir uns langweilen.
DMN steht dabei für Default Mode Network. Es ist also das Ruhezustandsnetzwerk des Gehirns. An diesem ist beispielsweise der präfrontale Kortex beteiligt. Ein Hirnareal, das Tagträumen oder abschweifende Gedanken ermöglicht.
Der präfrontale Kortex ist übrigens auch dann gefragt, wenn es um komplexe Probleme geht. Der Zustand der Langeweile kann also helfen, dass wir bessere Entscheidungen treffen.
Besonders interessant bei diesem Thema ist eine Art Pol-Theorie. Sie zeigt recht simpel, dass Langeweile nicht gleich Langeweile ist.
Muße-PolWir finden keinen Zugang zu Beschäftigung, aber die Gedanken schweifen kreativ ab. Durch den Mangel an Reizen kommt das Hirn zur Ruhe, neue Impulse entstehen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen: Langeweile kann der Vorbote eines sehr produktiven Zustands sein.
Ödnis-PolNeben dem fehlenden Antrieb zur Beschäftigung ist auch das Gehirn träge. Die Zeit plätschert an einem vorbei, die Gedanken sind eintönig und negativ.
Genau beim Ödnis-Pol liegt auch das Problem der Langeweile. Auf Dauer kann sie nämlich krank machen.
Die Psychologie-Professorin Sabrina Krauss sagt: »Übermäßig erlebte Langeweile und psychische Erkrankungen sind oft miteinander verknüpft.«
Obwohl sich Burn- und Bore-out in der Entstehung sehr unterscheiden, sind die Symptome fast identisch. Betroffene leiden unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen und einer Fatigue-ähnlichen Abgeschlagenheit. Auch depressive Verstimmungen sind nicht unüblich. Produktives Arbeiten ist dann fast unmöglich. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland bis zu 4,5 Millionen Beschäftigte unter einem Bore-out. Sie verplempern Schaffenskraft, sind unzufrieden, werden krank.
Bleibt die alles entscheidende Frage: Wie verhindern wir das?Zuallererst hilft sinnstiftende, abwechslungsreiche Arbeit – wie Psychologinnen und Psychologen betonen. Doch dazu gibt es noch weitere, einfacher zu ergreifende Maßnahmen.
Der erfolgversprechendste Schlüssel gegen Langeweile ist naheliegend: Der Ruhezustand muss überwunden werden. Und das, wenn nötig, sogar mit Zwang. Das können äußere Reize sein, wie die Kommunikation mit anderen Menschen oder auch Musik. Oder ganz trivial: Sport und Bewegung. Zahlreiche Experimente zeigten, wie zwanghaft der Mensch den Zustand der Langeweile überspringen will.
Mathematik-Muffel lösten beispielsweise lieber komplexe Additionsaufgaben, als auf einen leeren Bildschirm zu starren. Andere gaben sich sogar freiwillig kleine Elektroschocks als Alternative zum Garnichtstun. Der Mensch tendiert eben manchmal zur Selbstzerstörung.
Apropos Selbstzerstörung: Studien lege nahe, dass Menschen, denen oft langweilig ist, politisch radikalere Parteien wählen und aggressiv Auto fahren. Ein Büro, dass nicht anödet, sondern frische Gedanken schafft, hat also durchaus seinen höheren Sinn.