So bist du konzentrierter als Orangensaft
     
Ping!

Und schon bist du raus aus deiner aktuellen Aufgabe. Herzlich willkommen bei der produktivsten Ablenkung des Tages!

Vergiss Projekte, Deadlines und Candy Crush für eine Weile. Denn in Ausgabe #104 von inperspective snacks klären wir die Frage: Kann man Konzentration (wieder) lernen?
Hokus Pokus mit dem Fokus?
von Hannes Hilbrecht
Ich kannte eine Frau, die jeden Morgen ihr Smartphone in den Briefkasten warf. Keine Sorge: in ihren eigenen. Für sie war es der einzige Weg, WhatsApp, Instagram und Co. lange genug zu entkommen, um endlich ihr Buch zu schreiben.

Viele Berufstätige können sich nach eigenen Angaben nicht mehr richtig konzentrieren. Die Schuldigen: Smartphone und Social Media. Oft wird irgendwo im Internet behauptet, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne kürzer sei als die eines Goldfischs – und die beträgt immerhin neun Sekunden.

So klar, wie uns das dieser Mythos weismachen will, ist es nicht. In der Wissenschaft ist umstritten, ob unsere Konzentrationsfähigkeit schlechter wird, sich einfach nur flexibel anpasst oder steigt.

Teils ist die Fähigkeit zur Konzentration sogar angeboren: Deine Gene bestimmen, wie viel Rechenkapazität dem Konzentrationsvermögen zur Verfügung steht. Etwa, wie groß dein Zwischenspeicher ist und wie leicht du dich ablenken lässt.

Aber auch das Verhalten beeinflusst die Konzentration. Eine Studie von 2022 fand heraus, dass Wissensarbeiterinnen und -arbeiter durchschnittlich 15-Mal pro Stunde unterbrochen werden: Das Telefon klingelt, der Kollege steckt den Kopf zur Tür rein oder du checkst Mails und Chatnachrichten. Danach dauert es mindestens fünf Minuten, bis du wieder in die ursprüngliche Aufgabe hineinfindest. Mit jeder weiteren Ablenkung wird die Wiederanlaufzeit länger und die Leistungsfähigkeit sinkt immer weiter. Frustrierend, oder?

Wenn du das Gefühl haben solltest, dass sich deine Geisteskraft langsam dem Goldfisch-Niveau annähert – verzage bitte nicht. Psychologinnen und Hirnforscher haben inzwischen einige Tipps, wie du deine Konzentrationsfähigkeit verbessern kannst.

1. Ausreichend Schlaf
Eine der wichtigsten Stellschrauben ist Schlaf. Außerdem kannst du Ablenkungsquellen verbannen. Dein Smartphone irritiert dich vielleicht auch dann, wenn es ausgeschaltet neben dir liegt. Ich sag nur: Briefkasten.

2. Fokuszeiten
Wenn du in deinem Arbeitstag bewusst Fokuszeiten einbaust, fällt die Konzentration leichter. Große Aufgaben solltest du in kleinen Etappen erledigen, komplexes dann einplanen, wenn du für gewöhnlich besonders produktiv bist. 

3. Konzentration fördern
Du kannst dein Gehirn gezielt trainieren. Achtsamkeit und Meditation verbessern Aufmerksamkeit und emotionale Selbstkontrolle – und damit die Konzentration. Forschende vermuten, dass auch regelmäßiges Lesen hilft.

Aber erwarte nicht zu viel von dir. Niemand kann pausenlos konzentriert arbeiten, und selbst wenn, wäre es nicht wünschenswert. Das Problem? Der Fokus-Effekt! Menschen konzentrieren sich dank ihm nur noch auf einen Aspekt einer Sache und ignorieren alle anderen. Diese kognitive Verzerrung führt zu falschen Schlussfolgerungen und miesen Entscheidungen. Also lieber nochmal TikTok checken und mit frischem Kopf über eine Entscheidung grübeln.
FACT SHEET
Fail oder Fokus-Booster?
     
 
 
   
Ob Musik beim Konzentrieren hilft oder ablenkt, ist umstritten und sehr individuell. Probier dich aus, und schau, was am besten zu dir passt. Wichtig ist: Die Musik sollte nicht zu emotional und laut sein. Songs in deiner Muttersprache können dich für gewöhnlich leichter rausbringen.
 
     
     
 
 
   
Sport ist ein Fokus-Booster – und auch die bewegte Pause vorm Bildschirm zählt. Am effektivsten ist es, wenn du direkt vor der Konzentrationsphase aktiv wirst. Möchtest du komplexe Informationen im Gedächtnis festigen, solltest du danach trainieren.
 
     
     
 
 
   
Manche versuchen, ihre Geisteskraft mit Pillen zu pushen. Aber bei Menschen, die kein ADHS haben, ist Ritalin erwiesenermaßen wirkungslos.
 
     
     
Der Weitblick
     
     
York, England
In Zeiten von Co-Creation sind konzentrationsfördernde Einzelbüros rar. Eine Lösung: Kabinen, die man flexibel buchen kann, wie in diesem Büro eines internationalen Lebensmittelkonzerns.
     
     
San Francisco, USA
Das Hauptquartier des Tech-Unternehmens Slack in San Francisco bietet für die Fokuszeit spezielle Nischen.
     
     
Prag, Tschechien
In diesem Prager Büro sollen besonders kreativ eingesetzte Telefonzellen ableitungsfreie Räume schaffen. Ist das Plüsch mit Platzangst-Potenzial oder ein Mehrwert für jedes Büro?
     
       
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